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Klimaforschung in Deutschland

Kaum eine andere Frage hat in den letzten Jahrzehnten Gesellschaft und Politik so sehr bewegt wie der Klimawandel. Die einen glauben nicht daran, für die anderen ist er längst unabwendbar. In einer so emotional geführten Diskussion sind genaue und überprüfbare Fakten Voraussetzung für einen sachlichen Umgang mit diesem Thema. Es ist deshalb vordringliche Aufgabe der Forschung, Wissenslücken zum Klimawandel zu schließen und auf Basis exakter Daten Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.

Deutsche Klimaforscher weltweit anerkannt

An der Klimaforschung in Deutschland beteiligen sich wissenschaftliche Hochschulen, außeruniversitäre Institute wie die Leibniz-Gesellschaft oder die Max-Planck-Gesellschaft sowie Unternehmen. Ihre Arbeit wurde im Jahr 2016 durch das Bundesforschungsministerium mit weit mehr als einer Milliarde Euro finanziert. Mehr als 20 der wichtigsten Einrichtungen sind im Deutschen Klima Konsortium (DKK) zusammengeschlossen. Das DKK vertritt die Interessen seiner Mitglieder nach außen und bietet nach innen eine Plattform für Informationsaustausch und interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Die renommiertesten DKK-Mitglieder sind das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und das Max-Plack-Institut für Meteorologie in Hamburg. Beide genießen international ein sehr hohes Ansehen und zählen zur Weltspitze der Klimaforschung. Ebenfalls von Weltrang ist das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven mit seinem Forschungsschiff „Polarstern“. Das AWI konzentriert seine wissenschaftliche Tätigkeit auf die Eismeere am Nordpol, rund um Grönland sowie die Antarktis.

Im internationalen Vergleich gilt die deutsche Klimaforschung als herausragend. Ihre Ergebnisse fließen u. a. in die Arbeit des Weltklimarates (IPCC) ein. Der IPCC verfasst regelmäßig Klimaberichte, welche die wissenschaftliche Grundlage der UN-Klimaverhandlungen auf Staatsebene sind.

Eines der Felder der Klimaforschung ist das Sammeln von Daten und die Klimabeobachtung. Federführend ist hier der Deutsche Wetterdienst, beteiligt sind u. a. auch namhafte Versicherungsunternehmen. Darauf aufbauend beschäftigt sich insbesondere die Grundlagenforschung mit der Simulation des Klimas. Modelle, welche die Prozesse in der Atmosphäre, an Land und den Ozeanen nachbilden, machen Aussagen über das zukünftige Klimageschehen und dessen Wahrscheinlichkeit möglich. Zuverlässige Voraussagen, gerade auf regionaler Ebene, lassen die Folgen des Wandels im Einzelfall besser bewerten und erleichtern die Entwicklung konkreter Maßnahmen.

Zusammenarbeit über Fach- und Landesgrenzen

Viele der Forschungsansätze beleuchten die Abhängigkeit zwischen gesellschaftlicher Veränderung und dem Klimawandel. Wie verhalten sich Verbraucher, Unternehmen und Regierungen? Das zu wissen, ist Voraussetzung, um Wege in eine CO2-neutrale Gesellschaft zu finden. Aus diesem Grund sind neben den Naturwissenschaften auch Sozial- und Wirtschaftsexperten in der Klimaforschung unverzichtbar. Das Hamburger Centrum für Globalisierung und Governance (CGG) ist ein Beispiel für so eine fachübergreifende Zusammenarbeit.

Da sich der Klimawandel nicht an nationale Grenzen hält, ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit notwendig. In 2009 beschloss deshalb die 3. Weltklimakonferenz den Aufbau eines globalen Rahmenwerks für Klimadienstleistungen. Dieses soll Ländern, die einen Bedarf an Vorhersagen oder Folgeabschätzung haben, aber alleine dazu nicht in der Lage sind, Klimadienste anbieten. Dazu zählen Entwicklungsländer, vor allem in Afrika, aber auch Schwellenländer in Asien, in Südamerika und in Osteuropa. Viele Einrichtungen der deutschen Klimaforschung bringen die notwendigen Voraussetzungen für den Aufbau einer technischen Infrastruktur mit. Sie helfen beim Aufbau meteorologischer Beobachtungsstationen, stellen ein langfristiges Datenmanagement sicher und unterstützen bei der lokalen Klimadiagnose.

Zunehmend werden Klimaforscher auch als Berater tätig. Die Bundesregierung greift auf sie zurück und auch die Weltbank verlässt sich bei ihren Projektentscheidungen auf fachliche Expertisen, u. a. auch aus Deutschland.

Therapie und Prävention – Gesundheitsforschung in Deutschland

Die deutsche Gesundheitsforschung entwickelt neue und verbessert bestehende Diagnose- und Heilverfahren und sucht gleichzeitig nach Wegen, um der Entstehung von Krankheiten vorzubeugen. Ende 2010 hat die Bundesregierung das „Rahmenprogramm Gesundheitsforschung“ ins Leben gerufen und in den Jahren 2011 bis 2014 mit 5,5 Milliarden Euro finanziert. Es umfasst die klinische und Grundlagenforschung sowie die Vorsorge, beschäftigt sich aber auch mit strukturellen Änderungen der Forschungslandschaft und mit Fragen der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Dieser ganzheitliche Ansatz ist nötig, damit Erkenntnisse aus dem Labor möglichst schnell in der medizinischen Regelversorgung ankommen. Ziel ist letztlich, die bestmögliche medizinische Versorgung aller Bevölkerungsgruppen.

Volkskrankheiten im Visier

Der demografische Wandel erfordert stetige Fortschritte insbesondere auf dem Gebiet der sogenannten Volkskrankheiten. In einer alternden Gesellschaft wächst die Zahl der Menschen mit Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-, Lungen- oder neurodegenerativen Leiden, wie z. B. der Alzheimerschen Krankheit. Auch psychische, allergische und Infektionskrankheiten sind auf dem Vormarsch. Eine Konzentration der Forschung in diesem Bereich ist deshalb von großer Bedeutung und kommt direkt vielen Menschen zugute. Mit steigendem Alter der Patientinnen und Patienten wächst auch der Bedarf an Therapien, die persönlich auf deren jeweiligen Lebensumstände zugeschnitten sind. Das Stichwort heißt individualisierte Medizin und ist ebenfalls Bestandteil der Forschung.

Um die Entstehung der Volkskrankheiten besser zu verstehen, untersucht die Forschung den Einfluss von Ernährung, Bewegung und sonstigem Verhalten sowie die Bedeutung möglicher Umweltfaktoren. Auch die individuelle Genetik der Patienten kann bei der Vorbeugung eine wichtige Rolle spielen und ist deshalb ebenso Gegenstand von Untersuchungen. Grundsätzliche Fragen nach dem Erfolg und der Funktionsweise von Präventionen lassen sich nur langfristig beantworten. Von daher zählen sogenannte Kohortenstudien (statistische Auswertungen von Daten von mehreren hunderttausend Patienten über viele Jahre hinweg) mit zu den Forschungsvorhaben.

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist die wirtschaftliche Seite einer immer besseren Medizin. Der rasante Fortschritt hier bewirkt nicht nur, dass Menschen immer älter werden und trotz Krankheiten ein selbstbestimmtes Leben führen können, er ist auch sehr teuer. Nur wenn es gelingt, die Kosten zu begrenzen und Gesundheit mit Ökonomie in Einklang zu bringen, kann eine optimale Gesundheitsversorgung für alle dauerhaft sichergestellt werden.

Neue Forschungszentren

Gegenwärtig forschen in Deutschland Ärzte, Biologen, Chemiker und andere Fachleute an 36 Universitätskliniken und 90 außeruniversitären Einrichtungen. Diese vernetzen sich immer enger und schließen sich zu „Zentren für Gesundheitsforschung“ zusammen. Damit wird auf nationaler Ebene eine hohe Arbeitsteilung und Effizienz in der medizinischen Forschung ermöglicht. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen können ihre Ergebnisse austauschen und gemeinsam aus ihrem jeweiligen Blickwinkel an der Beantwortung komplexer Fragen arbeiten. Darüber hinaus soll der Austausch von Wissen auch über Grenzen hinweg intensiver werden. Deshalb ist eine weitere Zielsetzung der medizinischen Forschung, die internationale Zusammenarbeit zu erleichtern.

Auf diese Weise soll auch die Attraktivität der wissenschaftlichen Einrichtungen für hochkarätige Forscherinnen und Forscher aus dem In- und Ausland sowie für den wissenschaftlichen Nachwuchs steigen und Deutschland zu einem Spitzenplatz in der Gesundheitsforschung führen. Es existieren inzwischen sechs solche Zentren, die sich jeweils einem der Themen rund um Volkskrankheiten widmen. Ein Beispiel dafür ist das seit 2009 bestehende Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) mit Sitz in München und Partnereinrichtungen an acht weiteren Standorten in ganz Deutschland.

Gegen den Artenschwund – Biodiversitätsforschung in Deutschland

Wie viel Artenvielfalt braucht der Mensch? Grob zusammengefasst ist dies die zentrale Frage, mit der sich Wissenschaftler befassen, welche die Vielfalt des Lebens auf der Erde untersuchen und Maßnahmen entwickeln, sie zu erhalten. Weltweit sind unzählige Tiere und Pflanzen vom Aussterben bedroht: Wälder werden abgeholzt, Korallenriffe sterben ab, die Meere leiden unter Überfischung und Verschmutzung. Allein in Deutschland gelten ein Viertel aller Pflanzenarten und ein Drittel der Tierarten als in ihrem Bestand gefährdet. Wissenschaftler schätzen, das Arten gegenwärtig 100 bis 1000-mal schneller aussterben als unter natürlichen Bedingungen.

Diese Entwicklung wirkt sich nicht nur auf naturbelassene Lebensräume aus. Auch Haustiere und Nutzpflanzen sind davon betroffen. So sind seit dem 19. Jahrhundert etwa drei Viertel aller Sorten unserer Nahrungsmittelpflanzen verschwunden. Gleichzeitig verlangt die wachsende Weltbevölkerung nach immer mehr Ressourcen und ist auf die Natur – 75 Prozent der globalen Nutzpflanzen werden durch Tiere bestäubt – angewiesen. So wird klar, dass sich die Erforschung der Artenvielfalt nicht auf biologische Disziplinen beschränkt, sondern gesellschaftswissenschaftliche und ökonomische Fächer mit einbezieht.

Biodiversitätsforschung findet an vielen, bundesweit verteilten und dezentral strukturierten Einrichtungen statt. Dazu zählen Universitäten und Fachhochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen, wie die Leibnitz-Gemeinschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft oder die Max-Planck-Gesellschaft sowie Museen, wissenschaftliche Sammlungen und Naturschutzorganisationen. Insgesamt sind in Deutschland weit mehr als eintausend Institutionen beteiligt, von denen knapp 100 in Forschungsnetzwerken zusammengeschlossen sind, welche einen Standortübergreifenden Austausch ermöglichen.

Sammeln, sortieren, bewerten

Als relativ junge Wissenschaft steht die Biodiversitätsforschung noch am Anfang. Schätzungen gehen davon aus, das nur zwei bis maximal zehn Prozent aller Tier- und Pflanzenarten bekannt und wissenschaftlich beschrieben sind. Daher ist deren Katalogisierung ein wesentliches Ziel vieler Projekte, bevor auf Basis verlässlicher Zahlen Methoden und Instrumente zum Erhalt der Artenvielfalt entwickelt werden können. Auf diese Weise erfährt die Taxonomie (systematische Einordnung von Arten in Stammbäumen), welche lange Zeit in verstaubten Museums-Sammlungen ein Nischendasein führte, eine neue Blüte. Sie entwickelt sich unter Einbeziehung moderner Verfahren wie Computertomografie, Laserscanning, Ultrastruktur oder Molekulargenetik zur einer High-Tech-Wissenschaft. Eines ihrer hochgesteckten Ziele ist die Erfassung aller in Deutschland lebenden Arten in einer Gen-Datenbank, dem German Barcode of Life (GBOL). An diesem Projekt sind neben zwölf wissenschaftlichen Institutionen auch Hobbyforscher, sogenannte „Bürgerwissenschaftler“ beteiligt. Weiterer Schwerpunkt und gleichzeitig Sorgenkind der Taxonomen sind die Meere und Ozeane. Obwohl sie auf der Erde den mit Abstand größten Lebensraum stellen, sind sie noch weitgehend unerforscht.

Auch wenn der Mensch die Vielfalt des Lebens kaum kennt, bezieht er daraus seit Jahrtausenden seine Nahrung, Rohstoffe für Produktionsgüter, Heilmittel usw. Die Biodiversitätsforschung versucht daher, den wirtschaftlichen Wert einzelner Arten oder ganzer Lebensräume zu erfassen und deren Verwendung z. B. in der Land- und Forstwirtschaft oder für die Medizin zu prüfen. Nicht weniger wichtig als direkte Nutzung natürlicher Güter, aber bislang kaum erforscht, sind die sogenannten Biodiversitäts-Dienstleistungen. Dazu zählen alle Stoffkreisläufe, wie die Produktion von Sauerstoff und der Abbau von Kohlendioxid, die zwar vom Prinzip her längst verstanden, aber zahlenmäßig nicht bekannt sind. In Deutschland sind Einrichtungen wie das Leibnitz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde mit konkreten Projekten beteiligt.

Natürliche Vielfalt ist nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne grenzenlos. Alle nationalen Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt sind daher auf Dauer wirkungslos, wenn sie nicht in ein internationales Konzept eingebunden sind. Die 2014 gegründete deutsche Koordinierungsstelle des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) sammelt alle in Deutschland gewonnenen Forschungsergebnisse uns stellt Sie Wissenschaftlern anderer Länder zur Verfügung. Der IPBES, der auf eine Initiative der Vereinten Nationen zurückgeht, hat die Aufgabe, die biologische Vielfalt und den weltweiten Artenverlust zu dokumentieren und die Fakten als Entscheidungsgrundlage für die Politik bereitzustellen.